Bericht: Antifa-Actionday und Naziaufmarsch 13.11.

Am Samstag den 13. November 2010 fand in München zum zweiten Mal der Antifa-Actionday gegen Naziaufmarsch, Militär und kapitalistischen Normalbetrieb statt. Anlass hierfür war der wiederholte Versuch von Neonazis einen so genannten „Heldengedenkmarsch“ durchzuführen und damit den Nationalsozialismus und seine Protagonist_innen zu glorifizieren.

Während zivilgesellschaftliche Spektren zum Protest aufriefen, und ein breites Bündnis unter dem Motto „Naziaufmarsch Verhindern“ zur Blockade des Naziaufmarsches mobilisierte, organisierten Antifas einen „Antifa-Actionday gegen Naziaufmarsch, Militär und kapitalistischen Normalbetrieb“, dessen Auftakt eine Demo am Platz der Opfer des Nationalsozialismus bildete.
In den Aufrufen zum Antifa-Actionday wurden neben dem Geschichtsrevisionismus der Nazis auch nationalistische Strategien bürgerlicher Geschichtspolitik, Militarismus und Geschlecht sowie die Notwenigkeit der Überwindung des Kapitalismus thematisiert.
Thematisch passend befasste sich im Vorfeld ein Vortrag der Gruppe „never going home“ im Antifa-Café mit der nationalen Funktion, entlastender Geschichtserzählungen.
Eine Infoveranstaltung aus dem Actionday-Vorbereitungskreis thematisierte den extrem rechten Geschichtsrevisionismus wie auch die bürgerliche Gedenkpolitik, informierte über die lokale Nazi-Szene und gab einen Überblick über die geplanten Aktionen am Antifa-Actionday. Dieser Vortrag fand zunächst in Ulm, Nürnberg, Passau, Sulzbach-Rosenberg und Dachau statt. Wenige Stunden bevor die Veranstaltung im Münchner AZ Kafe Marat vor gut 100 Leuten begann, ließ es sich die Polizei nicht nehmen, sich mittels Rammbock und Brechstangen Zugang zum Veranstaltungsort zu verschaffen. Vorgeblich ging es dabei vor allem um Anleitungen für autonome Bastelfreund_innen, was drei Tage vor dem Actionday und kurz vor der Infoveranstaltung aber wohl zumindest in Zweifel gezogen werden kann.

Der lokalen Presse und Veröffentlichungen auf linken Websites nach, kam es im Vorfeld des Antifa-Actiondays zu verschiedenen Aktionen wie gesprühten Parolen an der Hausfassade des Münchner Nazis K. Richter und an vielen anderen Stellen die zu den antifaschistischen Aktionen am 13.11. mobilisierten. An verschiedenen Brücken wurden Transparente befestigt und das Sudetendeutsche Haus, in dem wiederholt geschichtsrevisionistische Veranstaltungen stattfanden, wurde mit Farbe verschönert.
In der Woche vor dem 13.11. zeichnete die Polizei in den Medien ein Schreckensszenario von schweren Ausschreitungen, warnte vor 800 „Linksextremen“ inklusive „Punkergruppen“ und bat die Bürger_innen sich nicht an Auseinandersetzungen zu beteiligen. Ladenbesitzer_innen wurde nahe gelegt ihre Geschäfte zu verbarrikadieren. Mindestens 1800 Polizist_innen aus dem gesamten Bundesgebiet wurden angekündigt, um den Nazis ihren Marsch zu ermöglichen. Durch diese mediale Hetze sollte ein äußerst repressives Vorgehen bereits im Vorfeld legitimiert werden.

ANTIFA ACTIONDAY
Kurz nach 10:30 wurde die Auftaktkundgebung der Antifa-Demo am Platz der Opfer des Nationalsozialismus eröffnet.In verschiedenen Redebeiträgen wurden das Verhältnis von Militär und Männlichkeit, aktuelle rassistische Hetze in den Medien und bürgerliche Geschichtspolitik beleuchtet und kritisiert. An die Teilnehmer_innen wurden an dieser Stelle mehrere hundert Karten verteilt, auf denen neben der Nazi-Route, den antifaschistischen Anlaufstellen und Kundgebungs-Orten auch die Nummern des Info-Telefons, des Ermittlungsausschusses, sowie Ticker- und Twitter-Adressen vermerkt waren. Hiervon wurden im Laufe des Tages ca. 3000 Stück unter die Leute gebracht. So sollten Infos möglichst Vielen verfügbar gemacht werden um ein effektives Vorgehen gegen den Nazimarsch zu ermöglichen.

Nach einigen musikalischen Beiträgen formierte sich der Block, Ketten wurden gebildet und die Demonstration zog lautstark los Richtung Stachus. Im Laufe der Demonstration schlossen sich immer wieder Menschen an,nach einer kurzen Zwischenkundgebung am Sendlinger Tor stieg die Zahl der Teilnehmer_innen auf gut 1000. Mit vielen Seitentransparenten, Fahnen, Sprechchören und Kämpferischem vom Lauti lief die Demo über die Blumenstraße und den Viktualienmarkt zum Maxmonument. Dort wurde die Demonstration beendet.

Während sich die Polizei während der Demo relativ zurückhielt und nur der vorderen Teil des Blocks im Spalier lief, ließ sich ab hier die polizeiliche Strategie des weiteren Tages erahnen. Nahe der Naziroute waren bereits die meisten Seiten- und Zugangsstraßen mit behelmten Polizisten, Gittern und Stoßstange an Stoßstange geparkten Sixpacks angesperrt. Ein Teil der Antifas wurde kurzzeitig noch am Ort des Demo-Abschlusses gekesselt.

Die Nazis hatten bis zuletzt zur Auftaktkundgebung auf den Goetheplatz mobilisiert, obwohl schon länger im Vorraus bekannt war, dass ihr Marsch am Isartor beginnen sollte. Sie hatten ihre anfänglich für die Innenstadt geplante Route verlegt, weshalb diese nun über weite Strecken an der Isar entlang führte.

Angekündigt waren 300-400 Nazis. Aufgrund der bekannten Mobilisierungsschwäche der Münchner Nazis überraschte es nicht, dass es trotz bundesweiter Unterstützung lediglich ca. 120 Leute waren, die sich am Isartor aufstellten. Während Baden-Würtemberg und weite Teile Bayerns mit Abwesenheit glänzten, war Nazi-Prominenz aus teilweise größerer Distanz angereist. So wurde die Versammlung neben R. Wuttke von C. Worch als Ersatz für den inhaftierten Münchner P. Hasselbach geleitet und A. Reitz, der sich auch an der Mobilisierung beteiligt hatte, machte seine Aufwartung.

Umgeben von hunderten Gegendemonstrant_innen setzte sich der Marsch über die Zweibrückenstraße in Bewegung. Der Lautsprecherwagen war diesmal pünktlich vor Ort. Polizei und Nazis hatten offensichtlich ihre Lehre aus dem Vorjahr gezogen, als Lautsprecher-und Bühnenwagen von Antifaschist_innen blockiert und angegriffen wurden.

An der Lukaskirche nahe einer angemeldeten antifaschistischen Kundgebung fand der erste koordinierte Versuch einer Massenblockade statt. Etwa zweitausend Menschen hatten sich mit einer spontanen Demonstration hier hin bewegt. Die ersten Versuche sich hier auf die Straße zu begeben wurden von der Polizei rigoros unterbunden.

Weitere Blockade-Versuche wurden meist schnell beendet. Erst auf Höhe Prinzregentenstraße, Ecke Franz-Josef-Strauß-Ring gelang es einer größeren Zahl Antifaschist_innen die Gitter zu überwinden. Hier bildete sich im Folgenden eine Massenblockade die über die Zeit hin stetig anwuchs. Nachdem es für eine Weile so aussah als könnte der Naziaufmarsch nicht umgeleitet werden, wurden diese schließlich doch über Seitenstraßen an der Blockade vorbeigeführt. Als eine große Gruppe Antifas daraufhin versuchte zu den Nazis zu gelangen, kam es auf der mit Sixpacks und Gittern abgesperrten Straße zu teils heftigen Auseinandersetzungen mit USK, BFE-Einheiten und zivilen Greiftrupps. Hatte es auch vorher schon vereinzelt Knüppeleinsätze gegeben, die mit Flaschen- und Böllerwürfen beantwortet wurden, kam es beim Versuch die Absperrungen zu überwinden zum massiven Einsatz von Pfefferspray, Tonfas und Teleskopschlagstöcken. Antifas bildeten Ketten, öffneten immer wieder die Gitter. Steine und Flaschen flogen auf die Polizei, die wiederholt versuchte Leute herauszugreifen, was zumindest teilweise durch entschlossenes Vorgehen verhindert werden konnte. Im Laufe des Tages wurden 30 Menschen festgenommen.

Im Anschluss an ihre Abschlusskundgebung wurden die Nazis unter massiver Polizeibegleitung zur U-Bahn geleitet.
Im Convergence-Center gab es im Folgenden die Möglichkeit sich bei warmen Essen und Getränken zu stärken.
EIN KURZES FAZIT:
Die hohe Zahl Teilnehmer_innen an der dezidiert linksradikalen Antifa-Demo ist als klarer Erfolg zu werten. Es war hierbei gelungen die Zahlen vom letztjährigen Actionday und der Demo am 8. Mai nochmals zu übertreffen und antikapitalistische, antimilitaristische Inhalte mit einer kraftvollen und lautstarken Demo auf die Straße zu tragen. Die Zahl der bürgerlichen Antifaschist_innen ist mit 3-4000 zwar durchaus ausbaufähig, doch auch hier ist im Vergleich eine Aufwärtstendenz erkennbar. So gab es noch vor nicht allzu langer Zeit bei verschiedenen Naziaufmärschen in München so gut wie überhaupt keine Aktivitäten von zivilgesellschaftlichen Spektren.
Anders als noch am 8. Mai konnte der Aufmarsch aufgrund des äußerst repressiven Polizeieinsatzes, abgesperrten Stadtvierteln und vielen Kontrollpunkten nur zur Umleitung gezwungen, nicht aber vollständig blockiert werden. Wenn gleich es der Polizei mit ihrem Einsatzkonzept der „Deeskalation durch Stärke“ gelang die Handlungsspielräume massiv einzuschränken, ließ sich bei vielen Antifas ein entschlossenes und organisiertes Vorgehen feststellen. Initiativ und eigenständig konnten die Spielräume immer wieder ausgereizt und in Teilen erweitert werden. Anders als bei vorherigen ähnlichen Polizeieinsätzen gelang es diesmal nicht die Antifas in Kleingruppen in Katz und Maus-Spiele weit abseits der Route zu zwingen.

Die Infostruktur wurden Vielen genutzt und es kann hierfür ein überwiegend postives Fazit gezogen werden.Ebenso ist erfreulich, dass trotz bundesweiter Mobilisierungen nach Hamburg und Berlin, sowie Aktionen in Stuttgart und im nahen Nürnberg, viele Menschen von Außerhalb in die Stadt kamen und sich auch viele neue Leute aus München an den Aktionen beteiligten.Von Seiten der veranstaltenden Nazis gibt es bisher kein Statement zu ihrem „Heldengedenkmarsch“. Lediglich ein kurzer Text der NPD und ein pathetisches Video von Nazis aus Nordrhein-Westfalen schildern den Tag aus Sicht der extrem Rechten und feiern ihren Marsch als Erfolg. In völliger Realitätsverweigerung ist im Video von lediglich 400 Gegendemonstrant_innen die Rede. Wie ein Marsch, der es trotz bundesweiter Unterstützung auf lediglich 120 Personen bringt und ohne die massive Unterstützung von 1800 Polizist_innen keinen Meter weit gekommen wäre, auch nur irgendwie als Erfolg zu verkaufen wäre, erscheint uns zweifelhaft.
Festzuhalten bleibt, dass weiterhin eine konstante Arbeit von Nöten ist um die nächsten Aufmarsch in München wieder zu verhindern, die Vermittlung der eigenen Inhalte weiter zu pushen und Konzepte zu entwickeln wie einer vergleichbaren polizeilichen Übermacht beizukommen ist.