Hierzu dokumentieren wir den Aufruf verschiedener antirassistischer und linksradikaler Gruppen:
Abolish – Diskriminierende Gesetze gegen Flüchtlinge abschaffen!
Aktion gegen das Asylbewerberleistungsgesetz. Aktionen in über 20 Städten bundesweit!
„Wir wollen Geld statt Essenspakete. Es kann doch nicht sein, dass wir nicht selber bestimmen dürfen, was wir essen. Wir haben bei uns im Lager keine Privatsphäre, es herrschen katastrophale hygienische Zustände. Es gibt nicht genügend Toiletten – und nur vier Duschen in einem Gemeinschaftsraum für 50 bis 60 Leute. Bis zu sechs Personen müssen in einem Raum leben. Viele von uns vegetieren schon seit Jahren so, das ist menschenunwürdig.“ Ahmed Eidid, ein Bewohner eines Augsburger Flüchtlingslagers, beschrieb mit diesem Worten in einem Zeitungsinterview, warum 250 Flüchtlinge im Herbst 2010 in den Hungerstreik getreten sind. Das war bereits die zweite große Protestwelle in bayerischen Flüchtlingslagern im vergangenen Jahr. Nun steht die dritte Welle bevor, und sie richtet sich bundesweit gegen das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Das AsylbLG regelt seit 1993 die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Damals erhielten Flüchtlinge ein Jahr lang Leistungen, die um 20% unter Sozialhilfeniveau lagen. Inzwischen hat sich der Abstand auf 35% gesteigert, denn die Regelsätze des AsylbLG wurden seit 1993 nicht mehr erhöht. Stattdessen wurde das AsylbLG sogar auf Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz ausgeweitet und die Bezugsdauer auf mindestens vier Jahre verlängert. Vor allem aber ist in diesem Gesetz festgelegt, dass Unterbringung und Versorgung als Sachleistung erbracht werden sollen. Deshalb werden Flüchtlinge in Bayern in Lagern untergebracht, müssen sich von Essenspaketen ernähren, erhalten lediglich 40,90 € Bargeld pro Monat und werden bei der medizinischen Versorgung auf das Allernotwendigste beschränkt.
Doch damit könnte bald Schluss sein, denn das AsylbLG wird von mehreren Seiten in die Zange genommen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erklärte es schlicht für verfassungswidrig und legt es dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Die Regelsätze seien, wie bei Hartz IV, willkürlich festgelegt und zu niedrig. Dieser Einschätzung schloss sich die Bundesregierung an und will das AsylbLG rechtzeitig reformieren, um einer Verurteilung durch das Bundesverfassungsgericht zu entgehen. Gleichzeitig evaluiert das Bundesarbeitsministerium das Sachleistungsprinzip des AsylbLG – die FDP hatte die Abschaffung dieses Prinzips bei den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene gefordert, setzte sich jedoch nicht gegen CDU und CSU durch.
SPD und die Grünen haben, als sie die Regierung stellten, ihre Chance nicht genutzt, das AsylbLG abzuschaffen. Auch die Linke zeigte sich bislang wenig progressiv in den Bundesländern, in denen sie in der Regierung ist. Dennoch haben Grüne und Linke nun die komplette Abschaffung des AsylbLG im Bundestag beantragt.
Ebenfalls unter Druck gerät das AsylbLG durch die Flüchtlinge, die darunter leiden müssen: Gerade in den Bundesländern, die es am rigidesten anwenden, sind die Proteste am größten. Ob in Bayern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, überall brodelt der Protest.
Wir erleben derzeit einen historischen Moment: Das AsylbLG kommt nach 18 Jahren zum ersten Mal auf den Prüfstand, ohne dass das Ergebnis feststeht – es ist alles möglich, von einer vorsichtigen Reform bis hin zur vollständigen Abschaffung. Deshalb rufen Flüchtlinge und ihre UnterstützerInnen zu einem bundesweiten Aktionstag am 22. März 2011 auf.
Protestaktionen zur Abschaffung des AsylbLG finden an diesem Tag in Augsburg, Berlin, Freiburg, Hannover und in vielen weiteren Städten statt. In München ruft ein breites, antirassistisches Bündnis zu einer Demonstration auf. Nachdem bei der letzten Aktion im Dezember 2010 schon bei der CSU-Zentrale demonstriert wurde, werden wir diesmal die anderen Parteien mit ihrem Anteil an der Existenz des AsylbLG konfrontieren und sie dazu auffordern, sich für die sofortige Abschaffung einzusetzen.