Der Kapitalismus hat seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 wieder ein schlechtes Image. Bloß haben einige komische Vorstellungen davon, etwa dass Kapitalismus und Marktwirtschaft grundverschiedene Dinge wären oder Finanzwirtschaft und „Realwirtschaft“ zwei Paralleluniversen, wobei gierige Banker und skrupellose Spekulanten die Unternehmer und Arbeiter der Realwirtschaft ausplündern.
In diesem Punkt treffen sich konservative Politiker mit Sozialdemokraten und Gewerkschaftern (Stichwort Heuschrecken), Attac und Occupy, manchen Marxisten und Anarchisten. Diese Haltung wird in den Medien verbreitet und entspricht einem verbreiteten Unbehagen in der Bevölkerung. Solche Vorstellungen sind nach rechts anschlussfähig. Die Nazis prägten dafür einst die Parole vom „schaffenden“ gegen das „raffende“ Kapital und identifizierten Letzteres als jüdisch.
Dagegen analysierte Karl Marx Kapitalismus als dynamische Wirtschaftsform, deren Selbstzweck Profitmaximierung und Akkumulation von Kapital ist, nicht die Befriedigung von Grundbedürfnissen. Dafür sind Fabriken und Büros, Banken und Börse, Kaufladen und Supermarkt gleichermaßen notwendig und bilden eine Einheit. Theoretisch entzog Marx damit Sozialromantikern die Grundlage. Praktisch finden solche Ideen gerade in Krisenzeiten Anklang.
Linke verlangen eine stärkere Regulierung der Banken oder Konjunkturprogramme. Der französische Ökonom Thomas Piketty will höhere Steuern für Reiche. David Graeber preist in seinem Bestseller „Schulden“ eine staatsfreie Marktwirtschaft mit zinslosem Geld. In der globalisierungskritischen und Umweltbewegung kursieren Schlagworte wie Vollgeld, Regionalgeld, Urban Gardening oder Gemeinwohlökonomie. Anhänger von Occupy in New York wollten eine neue „demokratische“ Bank gründen. Wie sich die Vorstellungen einer Reregulierung oder eine lokal oder regional beschränkte Ökonomie mit fairen Preisen und Löhnen, eine Art gebremster Kleinkapitalismus, mit der real existierenden Dynamik des Kapitals im 21. Jahrhundert vereinbaren ließe, wird in der Regel ausgeblendet.
In dem Vortrag setzt sich Peter Bierl kritisch mit einigen aktuellen Ansätzen in der Linken, bei Attac und Occupy sowie der Ökologiebewegung sowie historischen Vorläufer auseinander und skizziert die Essentials einer richtigen Kapitalismuskritik.
Bierl lebt als freier Journalist in der Nähe von München. Er schreibt u.a. für die Jungle World, Konkret, Rechter Rand und iz3w. Er ist Autor von „Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister. Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik“ (2005), „Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn – Kapitalismuskritik von rechts: Der Fall Silvio Gesell“ (2012) sowie „Grüne Braune – Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von rechts“ (2013)
Beginn: 20 Uhr / Vortrag: 21 Uhr