Bagida? Läuft bei uns nicht!

Dürfen wir vorstellen? Neben Hogesa, Sagesa, Pegida, Dügida und – nicht zu vergessen – Kagida hat nun auch Bagida das Licht der Welt erblickt. Was sich zunächst anhört wie eine Konversation in fortgeschrittener Babysprache ist eigentlich eine Sammlung von Akronymen, hinter denen sich eine diffuse Patchwork-Rechte verbirgt. „Bürgerbewegungen“ aus Nazis, AfD-Fans, rechtspopulistischen und alltagsrassistischen Würstchen, rechtsaffinen Schlägertypen und fanatisierten Verschwörungsfreaks, schwappen aktuell überall in Deutschland aus den Facebook-Gruppen in das Real-Life, von Leserkommentarspalten auf die Straße. Dies bietet den Nährboden für einen rassistischen Aufmarsch, der uns in Kürze in München bevorsteht.
Die Abkürzung Bagida steht für „Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Während das Dresdner Vorbild Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) mittlerweile bis zu 15.000 Leute auf die Straße bringt, handelte es sich beim Münchner Ableger bislang um eine Facebook-Seite, die allerdings innerhalb kürzester Zeit mehrere Tausend Fans um sich geschart hat. Eine erste Aktion auf der Straße ist bereits für die nächsten Wochen geplant.  
Dabei ist es weniger die intellektuelle Schärfe der Analysen, die Bagida und Konsorten zu einem rechten Erfolgsmodell macht, als vielmehr die Integrationskraft der mehr oder weniger intendiert schwammigen Positionen, die rechtspopulistische vermeintliche „Israelfreunde“ und Anhänger_innen eines eliminatorischen Antisemitismus, mit „weder links noch rechts“-Spinner_innen hinter einem Banner vereint. Beflügelt vom Erfolg der „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa)-Demo in Köln Ende Oktober, ging zunächst in Dresden eine stetig anwachsende Menge auf die Straße, um ihrem nationalistischen und rassistischen Unmut kund zu tun. Es geht hier wie da irgendwie gegen „Überfremdung“, Linke oder „Salafisten“. Gemein ist der heterogenen Melange aus stiernackigen Dropouts und etablierten „besorgten Bürgern“ aus der von Rassismus durchzogenen Mitte der Gesellschaft, der ernsthafte Glaube an eine linke Hegemonie in Medien und Politik, die es doch endlich zu brechen gälte.  
Die Bezugnahmen von Hools und „Bürgern“ aufeinander sind klar erkennbar, nicht nur was die  teilweise personelle und spektrenbezogene Überschneidung anbelangt. Aufhänger beider Aktionsformen ist die vorgebliche Ablehnung des salafistischen Fundamentalismus, wobei die Aktionen in Dresden bemüht sind sich als gemäßigtere, weniger prollige und gewalttätige Variante zu geben. Dabei ist diese Orientierung der rechten Aufmärsche in keinster Weise als eine Kritik am Salafismus oder auch nur an seiner Ausprägung in Form des Islamischen Staates, der auf dem Gebiet des ehemaligen Syriens und Iraks weite Teile der Bevölkerung drangsaliert, vertreibt und massakriert, zu verstehen. Es geht den übereifernden Deutschlandfans nicht im geringsten um eine Kritik erzreaktionärer und menschenverachtender Ideologien, sondern um die Dämonisierung und Agitation gegen einen als grundsätzlich bedrohlich, fremd und minderwertig geltenden Islam als Ganzem, der als ein monolithischer Block konstruiert wird. Das Schlagwort „Salafismus“ ist hierbei als eine Chiffre für tatsächliche oder vermeintliche Muslime zu verstehen. Im Umkehrschluss sind dieser Denke nach auch alle Muslime prinzipiell des Salafimus verdächtig.
Wir haben es hier mit der straßenmächtig gewordenen Formierung eines schon lange in Teilen dieser Gesellschaft vorhandenen Ressentiments zu tun, in dem in rassistischer Manier gegen „den Islam“ als solchen geschossen wird. In dieser Logik werden alle Muslime als grundsätzlich anders, fremd, tendentiell bedrohlich und vor allem: als nicht-deutsch angesehen und aufgrund dieser scheinbaren fundamentalen Andersartigkeit ausgegrenzt und angefeindet.    
Dass diese Aufmärsche in erster Linie als Artikulation eines rassistischen Ressentiments zu begreifen und auch als solches zu bekämpfen sind, wird spätestens beim weiteren Blick auf ihre  inhaltliche Agenda klar. In Facebook-Diskussion und auf der Straße geht es zumeist nur noch wenig bis gar nicht um den als eigentlichen Gegner ausgewiesenen Salafismus. In der Regel wird sich nicht mal mehr die Mühe gemacht, besonders hart gegen „den Islam“ zu eifern. Der Umschlag in eine klassisch rassistische und deutsch-nationalistische Richtung erfolgt fast immer direkt und ohne der eigenen Peer-Group die Verbindungslinie noch erklären zu müssen – weil sie den anderen  „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber“-Bürger_innen eh schon klar ist. Und so wird wie selbstverständlich ganz generell „gegen Ausländer“ mobil gemacht, die zunehmende Präsenz von Refugees angefeindet und der drohende Verlust beklagt von etwas das es noch nie gegeben hat: der ethnischen Homogenität Deutschlands. So gesehen ist es auch nicht verwunderlich, dass auf den Seiten der Bagida vehement gegen die Refugees gehetzt wurde, die Mitte November in München für fünf Tage in Hungerstreik getreten sind, um für ihre Rechte als Menschen, gegen den Lagerzwang und die bundesdeutsche Asylpolitik generell zu kämpfen. Die hierbei artikulierten Vernichtungs- und Gewaltphantasien, wie auch die hämische Freude über die Polizeiliche Räumung des Streiks dürfen angesichts der wieder steigenden Zahl von Anschlägen auf Refugees und Lager auch als eine reale Kampfansage verstanden werden.    

„Marge, du weißt ja gar nicht wie das ist. Schließlich muss ich jeden Tag den Kopf hinhalten. Ich bin nicht gestört, du bist gestört, das gesamte, verdammte System ist gestört. Soll ich dir die Wahrheit sagen? Willst du es genau wissen? Aber du erträgst sie nicht, die Wahrheit. Erst wenn du die Hand ausstreckst und sie in einem widerlichen Brei stecken bleibt, der einmal das Gesicht deines besten Freundes war, dann weißt du was zu tun ist. Vergiss es Marge, das ist China Town!

Homer J. Simpson – Arbeiter 
Die konformistische Revolte der Pe-, Ka- und Bagidas ist dabei Ausdruck eines allgemeinen reaktionären Rollbacks im Zuge der andauerndern kapitalistischen Legitmationskrise. Die Nation erscheint als identitätsstiftender Rettungsanker, eine Sicherheit versprechende Konstante in einer Welt, deren Komplexität nicht gefasst werden kann und deren Dynamiken nicht verstanden, aber in ihren Auswirkungen als äußerst gefährlich empfunden werden.  
Die lautstarke Verzweiflung der Parole „Wir sind (immer noch) das Volk“ ist auch eine Reaktion auf die reale Ohnmachtserfahrung. Die nicht vorhandenen individuellen Handlungsoptionen des deutschen Spießertums im Bezug auf die Folgen der Krise werden in doppelter Hinsicht mittels des Nationalismus bewältigt: Zum einen wird gegen „Ausländer“ getreten und somit der eigene Status als Deutsche_r subjektiv aufgewertet. Wenn schon alles immer beschissener wird, so sind „wir“ wenigstens noch Deutsche und somit besser als alle anderen. Zum andern soll die Zugehörigkeit zur Nation als exklusivem Club gefälligst auch zu einer bevorzugtem materiellen Behandlung ihrer Mitglieder, beispielsweise in puncto Sozialleistungen führen. Deutsche Renter_innen, Kinder oder Straßenbeläge werden gegen Refugees oder andere als illegitim betrachtete Empfänger_innen von Sozialtransfers ausgespielt.  
Die andere Bewältigungsstrategie zeigt sich im nationalistisch-populistischem Geblöke gegen „die da Oben“  – gerne auch im Verbund mit „den Medien“ –  die sich vom Volk entfernt hätten. In der Vehemenz mit der „das Volk“ als eigentlicher Souverän beschworen werden soll, zeigt sich der Wunsch nach einem Ausbrechen aus der realen Ohnmacht. Doch je lauter diese Beschwörungsformel gerufen werden muss, desto deutlicher tritt auch die unterbewusste Ahnung zum Vorschein, den realen Dynamiken des Kapitalismus gegenüber dennoch nichts auszurichten zu können.
„Ooh, diese Deutschen sind mir jetzt böse. Ich habe solche Angst. Ooh, diese Deutschen! Ooh!“ 
C. Montgomery Burns – Unternehmer
Bei all dem Nationalismus und offenem Rassismus in all seinen Spielarten ist es dann auch kein Wunder dass sich politerfahrenere extreme Rechte, wie antimuslimische Rassist_innen und auch klassische Nazis sich hier pudelwohl fühlen können. Die Distanzierungsversuche von Seiten der Kernorganisator_innen von Pegida und Bagida gegenüber allzu klar als NS-affin erkennbaren Positionen erfolgen als taktische Lippenbekenntnisse. Schließlich ist auch den noch so rassistischen und deutschlandgeilen Subjekten klar, dass sich hierzulande mit offenen Nazi-Bezügen bis jetzt noch wenig Blumentöpfe gewinnen lassen. Und so ist die halbherzige Distanzierung von Nazis in der Regel gepaart mit dem Verweis auf die angebliche Denunziation „patriotischer“ Standpunkte als Naziideologie von Seiten einer übermächtig stilisierten Linken, Stichwort: „Nazikeule“. In der scheinbaren Distanzierung der Patchwork-Rechten wird eine weitere Gemeinsamkeit mit Nazis und anderen Extrem-Rechten erkennbar: Der gemeinsame Gegner steht links. Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Wir behaupten nicht, dass es sich bei Pegida, Dügida, Bagida und dem sonstigen Buchstabensalat um klassische Naziaufmärsche handeln würde. Aber es handelt sich um rassistische Aufmärsche bei denen der langgehegte Wunsch von Nazis, endlich aus ihrer relativen gesellschaftlichen Isolierung ausbrechen zu können und Teil einer breiteren Bewegungen rechts der Unionsparteien zu werden, vielleicht Wirklichkeit werden könnte. Diese Möglichkeit halten wir für äußerst besorgniserregend und verstehen ihn als Appell an alle, es nicht so weit kommen zu lassen. Reaktionäre Krisenideologien und autoritäre Bewegungen finden sich allerdings nicht nur hier, sondern sie sind international auf dem Vormarsch: Von den Mörderbanden der IS-„Gotteskrieger“ über die abendländischen (Haken)-Kreuzritter zu den erstarkenden Rechtsparteien. Die Träume von Kalifat oder Volksgemeinschaft verweisen auf eine profane wie grausige Tatsache: Schlimmer geht immer. Eine unhintergehbare Erkenntnis aus der aktuellen autoritären Formierung ist daher: Antifaschismus bleibt in linken Kämpfen eine bitter notwendige Verpflichtung. Ohne den geht’s nicht.
Bei all dem Schrecken in der Welt dürfen wir dabei allerdings eines nicht vergessen: Die negative Aufhebung kapitalistischer Totalität ist nicht die einzig denkbare Überwindung des Bestehenden. Das Projekt einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Herrschaft, hat nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Wenn dem globalisierten Kapitalismus und seinen Leichenbergen aktuell keine emanzipatorische Perspektive einer befreiten Gesellschaft gegenüber zu stehen scheint, dann ist das kein Grund zur Resignation, sondern vielmehr ein Anlass daran etwas zu ändern. The future is unwritten.
Ein erster rassistischer Aufmarsch ist bereits in nächster Zeit zu erwarten. Für aktuelle Infos checkt regelmäßig antifa-nt.de