Während die ersten Flugzeuge gen Kabul geschickt werden, um Menschen sicher in ihr sicheres Herkunftsland zu geleiten, während die AfD jede noch so billig kalkulierte Nazi-Eskapade wie von Zauberhand in weitere Stimmen verwandelt und die tagtäglichen rassistischen An- und Übergriffe keine größere Aufregung mehr wert scheinen, wird es mal wieder Zeit zu zeigen, dass eben doch nicht alles geht.
Seit zwei Jahren marschiert Pegida in München. Mittlerweile darf dort, neben allerlei anderen Nazis, auch der verhinderte Terrorist Karl-Heinz Statzberger seine Scheiße ins Mikro quäken. Konsequenterweise wird die Demoleitung seit Ende des Jahres von Karl Richter (BIA/NPD) besorgt. Von der kruden rechten Sammelbewegung – die alles von PI-News-Fans, „Reichs“- oder anderweitig „besorgen Bürgern“ bis zu Leuten die sich vor Chemtrails fürchten, auf der Straße vereinte – scheint sich Pegida also immer mehr in Richtung einer klassischen Nazi-Nummer entwickelt zu haben. Der Eindruck, Neonazis hätten die restlichen „Spaziergänger“ nach und nach verdrängt, ist jedoch trügerisch. Vielmehr haben sich die unterschiedlichen Formen und Inhalte innerhalb der von Widersprüchen geprägten Patchwork-Rechten in Teilen angeglichen. So stellt etwa das Verhältnis zur Gewalt keine Bruchlinie mehr dar, die Selbstinszenierung als – auch physischer – Kämpfer haben sich nahezu alle Beteiligten zu Eigen gemacht. Und auch das notorische Schaulaufen an Symbolorten der NS-Herrschaft ist kein Zufall: die Nähe zu aktuellen und historischen nationalsozialistischen Ideologiefragmenten scheint keine allzu großen Sorgen vor gesellschaftlicher Ächtung mehr zu produzieren. Das Geschwätz von „Volkstod“ und “großem Austausch“ hat die schummrigen Hinterzimmer der Gasthöfe zum deutschen Hirschen längst verlassen. Während extrem rechte Positionen gesamtgesellschaftlich an Relevanz gewinnen und ein vermeintliches Tabu nach dem anderen fällt, geht innerhalb der reaktionären und rassistischen Bewegungen eine weitere Radikalisierung vonstatten. Nun war rassistische Gewalt noch nie wirklich ein Alleinstellungsmerkmal organisierter Neonazis, die zahlreichen Brandanschläge, Übergriffe und Attacken der letzten Zeit, zeigen gerade aktuell auf, wie es auch um die so called Mitte der Gesellschaft bestellt ist, wenn sie von gewissen Sorgen und Ängsten heimgesucht wird.
Beflügelt von medialer Aufmerksamkeit, Wahlerfolgen der AfD und soziale Anbindung in der Filterbubble, bäckt das geeinte Wutbürgertum längst keine kleinen Brötchen mehr. Den zwischen Allmachtsphantasie und Opferrolle lavierenden Figuren, die sich gleichermaßen fälschlich als toller Hecht, wie als Verfolgte einer totalitären Merkel-Antifa-Rundfunksbeitrags-Diktatur wähnen, geht es um Größeres.
Sie sehen sich als legitimiert die Ordnung in die eigene Hand zu nehmen: es ist das objektiv Richtige, verbal und physisch als nicht-deutsch Klassifizierte, Linke und die „Lügenpresse“ anzugreifen, es ist sogar notwendig. Seit nunmehr zwei Jahren läuft diese rechte Selbstermächtigung in Form von Bürgerwehren, Anschlägen auf Asylunterkünfte und Gewalt gegen Geflüchtete auf Hochtouren. Und tatsächlich: Kleine „Erfolgserlebnisse“ bleiben nicht aus, wenn marodierende Mobs sich über Gesprächsrunden und Gesetzesänderungen freuen dürfen (während etwa schwäbische Baumliebhaberei schnell ins Auge gehen kann und linke soziale Bewegungen in der Regel eher mit dem Mehrzweckeinsatzstock als mit Maybrit Illner Bekanntschaft machen durften). Der völkische Vortänzer Götz Kubitschek formulierte 2015 unter dem Label „Widerstandsschritte“ eine Eskalationschoregrafie aus, damit auch das letzte Deutschländerwürstchen rafft, wo es den nächsten Schritt hin zu setzen hat. Von der Massenmobilisierung (Pegida), über Straßenblockaden gegen „Asyltransporte“ (Clausnitz) bis zu unangemeldeten Demonstrationen (3. Oktober in Dresden) scheinen sich die Adressat*innen bislang brav an die Anleitung zu halten.
Mit derlei Handlungskonzepten zur rechten Selbstermächtigung scheint man sich auch bei Pegida-München zu befassen. Einer Ende November auf Facebook veröffentlichten, pathetisch-peinlichen Kampfansage an das Establishment (oder das was Pegida-München dafür hält), gab das Orgateam den klingenden Titel „Wolfszeit“. Mit diesem Begriff rekurrieren Neonazis seit Jahren auf „Werwolf-Konzepte“ der historischen Nazis – Handlungsanweisungen für den bewaffneten Kampf im Untergrund. Die Werwolf-Konzepte von damals, wie auch die weiterentwickelten Handlungsstrategien, etwa die des „führerlosen Widerstands“, propagieren allesamt das selbstständige Richten über Leben und Tod. Angesichts dieser theoretischen Grundlagen, mag die praktische Arbeit einiger Pegida-München-Nazis nicht verwundern, die zumindest den Versuch antraten, mit Sprengsätzen den Volkswillen zu vollstrecken.
Time to act
Pegida-München wurschtelt nicht im luftleeren Raum vor sich hin. Die fortdauernde multiple Krise des Kapitalismus hat bislang gerade nicht dem Wunsch nach etwas besserem als der vorherrschenden Gesellschafts- und Wirtschaftsform zu neuer Blüte verholfen. Die Abstiegssorgen in Kerneuropa, die sozialen Verwerfungen an den Rändern, die Verwüstungen außerhalb der Mauern der Festung, helfen vielmehr Erklärungsmustern zum Aufschwung, die Halt und Heil in religiösen oder nationalen Kollektiven versprechen und jenen an den Kragen wollen, die nicht dazugehören können oder wollen. Während die Getreuen dieser reaktionären Krisenideologien auf den ersehnten apokalyptischen Endkampf hinarbeiten, ziehen die Etablierten mit ernsten Mienen Grenzen hoch, wo sich Kapital und Waren, nicht aber jeder sonstwo dahergelaufene Mensch frei bewegen soll. Der Rechtsruck in Deutschland ist eingebettet in eine globale Verschärfung der Beschissenheit der Dinge, mit einer radikalen Linken die hier wie dort zum rat- und tatenlosen Zusehen verdammt scheint. Es wird also Zeit in die Pötte zu kommen, global wie lokal.
Seit zwei Jahren marschiert Pegida in München und schon vor zwei Jahren war klar, dass das nicht klar geht. Ob sie sich nun Gewaltfreiheit aufs Fronttransparent oder III. Weg auf die Fahnen schreiben: Pegida-München ist sicherlich nicht der erfolgreichste Akteur der rechten Mobilmachung, erst recht sind derlei Erscheinungen nicht Ursache sondern Ausdruck der Verhältnisse. Aber als solche haben sie handfeste Konsequenzen für Menschen die ins Feindschema fallen und das muss Konsequenzen nach sich ziehen.
Zwei Jahre Pegida sind zwei Jahre zuviel. Kommt zur antifaschistischen Demo am 16.1.17 zum Odeonsplatz