Ein paar Worte zur Corona-Krise

Mittlerweile sind in München Bars und Boazn dicht, die Gottesdienste fallen aus. Es ist Katastrophenfall, das Robert Koch Institut stuft das Gesundheitsrisiko durch das Coronavirus in Deutschland inzwischen als „hoch“ ein. In der Social-Media-Bubble sind die betont unbesorgten Blödeleien längst Hashtags gewichen, die dich auffordern zuhause und nach Möglichkeit deinem Job fern zu bleiben. Vielen, die Berichte von Freund_innen und Genoss_innen aus Italien verfolgt hatten, war das Lachen schon einige Tage vorher im Halse stecken geblieben.
Tatsächlich scheint es gerade das Gebot der Stunde, den Kontakt zu anderen im Real-Life einzuschränken so gut es nur irgendwie geht, damit Behandlungskapazitäten im kaputtgesparten Gesundheitsbereich nicht über’s Limit gehen. Wie das bewertet wird, fällt – wenig verwunderlich – sehr unterschiedlich aus. Eigene (Nicht-)Betroffenheit und in wie weit die Leute im sozialen Umfeld besonders gefährdet sind, spielen dabei natürlich eine große Rolle, aber eben nicht die einzige.
Und tatsächlich ist die Sache ja so einfach nicht, mit diesem Zuhausebleiben. Für viele Menschen bedeutet die soziale Isolierung eine große Gefahr, wieder andere sind in den vermeintlich sicheren vier Wänden patriarchaler Gewalt ausgesetzt. Nicht alle haben die Möglichkeit ihrer Lohnarbeit fernzubleiben, zum Teil auch weil sie in Krankenpflege und Co. gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten. Und Rechnungen, Beiträge und Miete? Die Scheiße läuft ja einfach weiter. Für Viele ist es gar nicht so easy in der engen Wohnung zu bleiben wenn die Kinder Radau machen. Und überhaupt: Zigtausend Menschen allein in München haben gar keine Wohnung, hocken in Unterkünften, kommen bei Bekannten unter oder müssen auf der Straße schlafen.

Was also tun?

Wie in vielen anderen Städten werden auch in München gerade solidarische Strukturen aufgebaut um in den Vierteln Unterstützungsangebote zu schaffen. Die „Solidarische Nachbarschaft München“ ist eine solidarische Vernetzung via Social Media und bietet eine Plattform, um Nachbarschaftshilfe zu organisieren: https://t.me/solidarischenachbarschaftmuc

Über die konkrete Unterstützung hinaus, stellt sich die Frage welche Handlungsmöglichkeiten sich ergeben, um nicht auf die Zuschauerposition am Fensterbrett oder in der Timeline festgelegt zu bleiben. Die Anlässe werden nicht weniger.
Die Meldungen über Grenzschließungen, Versammlungsverbote und Ausgangssperren überschlagen sich. Was passiert eigentlich wenn die ganzen Ausnahmezustands-Regelungen nicht einfach wieder einkassiert werden? Maßnahmen nach denen sich die Posterboys der CSU sonst die Finger lecken. Die Gelegenheit wäre günstig, und dass die Fans von Law-And-Order sie nicht ergreifen, wird sicher kein Selbstläufer.

Auch wenn die Situation an den EU-Außengrenzen aus den Schlagzeilen gerutscht ist, so liegt das nicht daran, dass sich die Situation dort beruhigt hätte. In Moria, wo zum Schutz des europäischen Menschenrechtsparadieses Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht werden, wo sich Tausende ein paar abgefuckte Waschbecken teilen müssen, eskaliert die Lage.

Es gibt viel zu diskutieren und vieles wird auf uns zukommen, was wir jetzt vielleicht noch nicht erahnen. Dennoch bereiten wir uns vor. Fragen, die sich uns heute stellen, sind z.B.:
– Welchen Einfluß und Reichweite kriegen rechte Verschwörungsideologien? Was lässt sich dem entgegensetzen? Was glauben die Leute, die wochenlang alleine vor dem Rechner Push-Nachrichten lesen – und was wollen sie glauben?
– Wie lassen sich die solidarischen Netzwerke auch über die Phase erster Euphorie und nach Wochen der Quarantäne zu organisieren?
- Welche politischen Aktionsformen sind gerade angemessen und wirkungsvoll? – oder überhaupt möglich?
– Wie gehen wir mit den zu erwartenden rassistischen Anfeindungen und Angriffen um?
– Wie lassen sich auf die bevorstehenden gesellschaftlichen Transformationen post-Corona linke Antworten finden, wie können wir die rechten und autoritären Lösungen zurückdrängen?
– Wie können wir aus der Quarantäne solidarisch handeln gegen Lagerzwang, Grenzregime und systematische staatliche Verwundbarmachtung von Refugees und Migrant_innen?
– Wie gehen wir damit um, wenn Menschen eine angemessene medizinische Versorgung im Ernstfall verwehrt bleiben wird – und dabei Rassismus und Kriterien der Verwertbarkeit noch viel deutlicher als im Normalbetrieb des Gesundheitssystems ausschlaggebend werden?

Es gibt also einiges zu besprechen. Systemli präsentieren einige Tipps, wie ihr euch trotz der Corona-bedingten Einschränkungen vernetzen, diskutieren und in Kontakt bleiben könnt: Solidarische Infrastruktur für solidarische Aktionen
Hier noch ein bisschen Lesestoff:
– Ein Beitrag aus Italien: To our friends all over the world from the eye of Covid-19 storm
– Was tun gegen die kapitalistische Bankrottpolitik gegenüber dem Sozialen: Viraler Kapitalismus
– Unsere Genoss*innen von Plan C aus England stellen zur weltweiten Corona-Pandemie lesenswerte Forderungen auf.
Dossier von medico international