Ein Tag im Herbst 2025 in München

Terrorangst, rechte Manipulation und Medien am Anschlag 
 
Am frühen Morgen des 1.10.2025 zündet ein Mann in Münchner Norden sein Elternhaus an, tötet seinen Vater und anschließend sich selbst, seine Mutter und Tochter überleben schwerverletzt. Im Viertel sind Sprenggeräusche zu hören, mehrere Autos brennen ab. Eine Bombendrohung gegen das derzeit stattfindende Oktoberfest macht die Runde.

Auf zahlreichen Münchner Handys wird um kurz nach 11 Katastrophenalarm ausgelöst und meldet „Extreme Gefahr“, das Oktoberfestareal inmitten der Stadt wird weiträumig abgesperrt und geräumt, Spürhunde und Spezialkräfte laufen ihre Runden
 
Die Stimmung erinnert zu Beginn an den rechten Anschlag am Olympiaeinkaufszentrum am 22.7.2016 und reaktiviert ein kollektives Gefühl der Bedrohung durch Terror. Die drastische Reaktion der Behörden steht auch unter dem Einfluss des letzten Wochenendes. Die Wiesn musste wegen Überfüllung geschlossen werden, die Krisenkommunikation war ein Desaster und nur durch viel Glück gab es keine Massenpanik und Verletzte. 45 Jahre nach dem bisher verheerendsten Terroranschlag der Nachkriegsgeschichte werden Erinnerungen an das rechte Oktoberfestattentat wach, als eine Bombe 13 Menschen in den Tod riss und 221 teils schwer verletzte
Ein weiteres, nicht unwesentliches Detail erinnert an 1980: Franz Josef Strauß wähnte einst linke Gruppierungen in der Verantwortung für den Anschlag, wo es doch einer seiner Fans war, der antilinke Stimmungen hinsichtlich der bevorstehenden Kanzlerwahl herbeibomben wollte. 2025 macht bereits vormittags eine Meldung bundesweit die Runde, die Antifa könnte hinter den Taten im Münchner Norden und der Bombendrohung stecken. Nahezu sämtliche Medienhäuser übernehmen diese unbestätigte Mutmaßung und verbreiten somit ein gefährliches Narrativ. Hintergrund ist eine gefälschte Erklärung auf indymedia, der Plattform auf der jede_r Beiträge posten kann (und die ihre Blütezeit als zentrale virtuelle Anlaufstelle und kollektiver Verlautbarungsort der radikalen Linken schon länger hinter sich hat). Der stümperhaft verfasste Beitrag, sollte eigentlich nicht nur für besonders kundige Leute schnell als Fake erkennbar sein. Trotzdem verbreitet er sich u.a. als Agenturmeldung und wird von den unterschiedlichsten Medien unkritisch aufgegriffen und über Stunden verbreitet.
Dass es eine derart plumpe Form der Anti-AntifaAgitation so weit schaffen konnte, sollte allen Antifaschist*innen zu denken geben. Rechte sind mittlerweile in der Lage etablierte Medien in einem Maße zu beeinflussen, dass diese ihre Propaganda und Lügen übernehmen. Dass hier derart breit in den anti-antifaschistischen Tenor miteingestimmt wird, ist Resulat des Siegeszugs der globalen Rechten. Der mächtigste Mann der Welt hat die Antifa zu seinem Lieblingsfeind erklärt und einen Diskurs beflügelt, der Antifa mit Terrorismus gleichsetzt und gleichzeitig mit allem assoziert, was dem rechten Staats- und Gesellschaftsumbau noch irgenwie im Weg steht.
Und so ist es kein Zufall, kein Missgeschick und keine Verkettung unglücklicher Umstände, dass am 1.10.2025 über Stunden der offenkundige Unfug vom vermeintlichen Antifa-Terror die Runde macht. Es ist die Folge einstudierter und bekannter rechter Strategie. In Kommentarspalten, Telegramkanälen, bei AfD und über rechte Medienkanäle wird die Behauptung linker Gewalt munter weiterverbreitet, auch als klar ist, dass der Täter sicher nicht aus linken Motiven handelte, sondern es sich nach derzeitiger Kenntnis um einen weiteren Fäll männlich-patriarchaler Gewalt, im Stile regelmäßig zur Familientragöde verklärter Femizide handeln dürfte.
Gleichzeitig hacken rechte Influencer bereits Rachefantasien gegenüber Linken in die Tastatur, fantasieren wie der bayerische AfD-Landesvorsitzende in Handyvideos vom Antifa-Terror.
Besonders perfide erscheint dabei, dass es offenbar gerade rechte Medien sind, die aufgrund ihrer guten Kontakte in die Ermittlungsbehörden sehr schnell wissen wer der Täter ist, über Namen und Foto verfügen, und wie es scheint auch schnell über die Hintergründe und Tatmotivation ins Bild gesetzt werden. Dass sie gleichzeitig weiterhin die Geschichte von der Antifa als möglichen Verursacher verbreiten – so etwa in einem Artikel des Onlinemediums Nius, in dem sowohl der Täter benannt als widersprüchlicherweise auch die Indymedia-Story weiter warm gehalten wird – ist Teil einer Strategie, die darauf abzielt aufzuhetzen, Feind*innen öffentlich zu markieren, zu demütigen und zu entmenschlichen. Anschauliche Beispiele lassen sich zuhauf den letzten Wochen des US-amerikanischen Politikspektakels entnehmen.
So lächerlich die Falschbehauptung einer angeblichen AntifaAttacke erscheinen mag, so billig die rechte Strategie und so vertraut das „Versagen“ der „seriösen Medien“: In Zeiten stochastischen Terrors ist solch eine Schreckensinszenierung gegenüber Linken auch deshalb als ernstzunehmende Bedrohung zu begreifen, weil die Situation stets nur einen Schritt davon entfernt ist, die emotionalisierte Zielgruppe der rechten Hetze zu individuellen Gewaltakten zu ermutigen.