Ich krieg keinen Frieden. Darum Krieg, keinen Frieden! (2007)

Der folgende Text entstand in der Auseinandersetzung mit den diesjährigen Aufrufen zu den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz (SiKo). Wir möchten hiermit ein Stück solidarische Kritik am Aufruf einiger linksradikaler Gruppen, sowie ein Fazit der gesamten Anti-SiKo-Proteste liefern. Gerade als Antifa-Gruppe halten wir es für wichtig, nicht nur rein reaktiv den Nazis hinterher zu rennen. Wir wollen unsere Arbeit als eine radikale Kritik der Verhältnisse begreifen, mit dem Ziel diese Verhältnisse zu überwinden. Insofern begreifen wir auch Kritik am Militarismus als integralen Bestandteil unseres politischen Denken und Handelns und das nicht nur, weil der deutsche Militarismus eine bedeutende Rolle in der Entstehung und Entwicklung des Nationalsozialismus spielte.
Mit diesem Text erheben wir keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Wir würden uns über Reaktionen und angestoßene Debatten freuen.
Die SiKo, die NATO und der ganze Rest
Alljährlich findet Anfang Februar in München die so genannte „Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik“ statt, so auch dieses Jahr vom 8. bis zum 10. Februar. Seit 2002 kommt es jedes Jahr auch zu großen Protesten gegen dieses Treffen der VertreterInnen aus Politik, Militär und (Waffen-) Industrie. Viele der Aufrufenden und der DemonstantInnen verorten hier ein Treffen der „Weltkriegselite“, auf dem die nächsten Kriege geplant werden.
Wir glauben nicht, dass Ereignisse wie die SiKo primär der konkreten Vorbereitung und Abstimmung von Militäreinsätzen dienen können, wie in eigentlich allen Aufrufen gesagt wird. Vielmehr erfüllen solche Veranstaltungen zunächst die Funktion einer medialen und politischen Repräsentation, Selbstdarstellung und Propaganda.
Gleichzeitig wäre es aber auch zu einfach, die SiKo als reines PR-Event abzustempeln. Denn neben den Menschen, die sich dort sehr gerne ins Rampenlicht stellen, gibt es durchaus auch viele, die versuchen Kontakte eher im Hintergrund zu knüpfen, zu festigen und Geschäfte abzuschließen. Dies trifft insbesondere auf die Vertreter der (Rüstungs-) Industrie zu (BMW, Boeing, EADS, etc.), die als Marke nicht gerne mit der Herstellung von Waffen in Verbindung gebracht werden wollen. Diese Vorgänge gilt es in der Öffentlichkeit zu thematisieren, allerdings ohne die Zusammenhänge zu vereinfachen.
Reale Kriegsvorbereitung findet nicht bloß an 3 Tagen im Februar statt, sondern ständig. Auch werden Kriege nicht allein von einer Handvoll KriegsstrategInnen geplant und organisiert, sondern sie bedürfen eines großen Apparats, der Tag und Nacht aktiv ist.
Auch ohne die SiKo, die aber bestimmt keine sinnlose Veranstaltung ist, würden Kriege geführt werden und auch ohne die SiKo wäre die kapitalistische Gesellschaft um keinen Deut besser.
Ein Event wie die SiKo sollte für uns Anlass sein, Militarismus und Kapitalismus als Ganzes radikal zu kritisieren, wobei sich Radikalität nicht zwangsläufig an sprachlicher Drastik und Aktionsform messen lassen kann. Radikalität ist auch eine Frage der Analyse der gesellschaftlichen Strukturen innerhalb der kapitalistischen Totalität. Hier gilt es sich Mittel und Wege ihrer Überwindung vorzustellen und aufzeigen.
Positiv hervorheben wollen wir, dass sich die meisten Argumentationen gegen die SiKo bzw. der mit ihr verknüpften Politik nicht im stumpfen Denken von Haupt- und Nebenwidersprüchen vollziehen, sondern dass auf das Zusammenwirken von kapitalistischer Ausbeutung, Sexismus, Rassismus, Krieg etc. eingegangen wird.
Die derzeit herrschenden Verhältnisse müssen als Zusammenspiel verschiedener Herrschaft- und Unterdrückungsmechanismen begriffen werden, die von allen Menschen verinnerlicht und ausgelebt wird. Dies gilt es auf allen Ebenen zu bekämpfen. Eine radikale Kritik des Militarismus, um nur ein Beispiel zu nennen, muss die ihm innewohnenden Sexismen einbeziehen. Auch die aus kriegerischer Auseinandersetzung resultierende Absicherung bzw. Verschärfung dieser sexistischen Verhältnisse gehört dazu. Werden diese Aspekte ausgeklammert, so wird eine solche Kritik unbrauchbar.
All you need is war
Ebenfalls finden wir es wichtig, dass nicht nur der Krieg nach außen kritisiert wird, sondern auch die hiesigen Auswirkungen, bei denen versucht wird, sie mit dem Schlagwort „Sicherheit“ zu legitimieren.
Hier gilt es, den Prozess der autoritären Formierung der bürgerlichen Gesellschaft aufzuzeigen. Dieser Abbau sozialer und bürgerlicher Rechte resultiert aus den zunehmenden kapitalistischen Zwängen des „Verwertbarmachens“ aller Lebensbereiche. Das sozialdemokratische Projekt der relativen ökonomischen Sicherheit wurde einerseits durch die neoliberale Forderung nach mehr ökonomischer Risikobereitschaft und andererseits durch die Ideologie der „inneren Sicherheit“ abgelöst. Diese beiden Faktoren bewirken u.a. die Verschärfung der Kontrollmechanismen (Hartz IV, Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung), als auch die Ausgrenzung ökonomisch nicht-verwertbarer Flüchtlinge und MigrantInnen durch Lagerunterbringung und Abschiebungen. Eine solche Kritik wird im diesjährigen Aufruf des Aktionsbündnisses zumindest ansatzweise geübt.
Meine Mama hat immer gesagt: „Terrorist ist der, der Terror tut.“
Um diesen Wandel zu kritisieren, halten wir es allerdings nicht für sinnvoll, mit Schlagworten wie dem momentan inflationär gebrauchten Begriff des „Terrors“ zu argumentieren. Beispielsweise wenn mensch die Parole „Terroristisch sind jene, die Kriege führen und nicht die, die sich dagegen wehren!“ ausgibt, wie es im diesjährigen Aufruf zum internationalistischen Block der Fall ist.
Das Problem, das wir mit dem Terrorbegriff haben ist folgendes: Durch seinen inflationären Gebrauch und seine Verwendung in den verschiedensten Diskursen scheint eine griffige Definition nahezu unmöglich. Unter den Begriff des „Terrors“ fällt – je nach Diskurs – alles mögliche, von der RAF zur „militanten gruppe“ (mg), von Al-Quaida zu IRA und ETA bis eben hin zu NATO und der Politik Kriege führender Staaten. Im Verfahren gegen die angeblichen Mitglieder der mg wurde der Terrorbegriff z.B. zunächst genutzt, um antimilitaristische Praxis zu diffamieren.
Ein so schwammiger Begriff, der alles oder nichts heißen kann, hilft uns bei der radikalen politischen Analyse keinen Schritt weiter. Er hilft auch genauso wenig eine emanzipatorische Praxis zu entwickeln. Wir haben es nicht nötig, inhaltsleere Kampfbegriffe in der politischen Auseinandersetzung zu reproduzieren. Der Versuch, diesen Begriff gegen seine Urheber zu wenden, ist unserer Ansicht nach zum Scheitern verurteilt.
In den letzten Monaten kam es in der Folge des G8-Gipfels und nach diversen antimilitaristischen Aktionen zu Verfahren, in denen die Ermittlungsbehörden einigen Menschen einen Terrorismusvorwurf anhängten. Diesen GenossInnen gilt unsere Solidarität. Wir glauben, dass es gerade an dieser Stelle wichtig ist, die Absurdität des Terror-Vorwurfs herauszustellen und nicht den Diskurs unter gewendeten Vorzeichen (wie in oben genannter Parole) zu reproduzieren.
Ein wenig Perspektive
So wie wir die SiKo bis zu einem gewissen Grad als Event der politischen und medialen Repräsentation betrachten, so sehen wir ebenfalls die Proteste dagegen in gewissen Grade als Event. Gerade im Bezug auf den G8-Gipfel ist in den vergangenen Monaten viel über den Sinn und Unsinn von Anti-Gipfel-Protesten und „Gegenevents“ diskutiert worden. Antikapitalistischer Protest macht schließlich jeden Tag, zu jeder Zeit und an jedem Ort Sinn. Ein Event wie die SiKo zu bekämpfen und womöglich gar zu verhindern ändert am Kapitalismus zunächst erstmal gar nichts. Auch wenn es konkret sehr schwer erscheint, perspektivisch kann es nur darum gehen, politische Formen zu etablieren, die antimilitaristischen und antikapitalistischen Widerstand im Alltag verankern.
Wenn wir dies versuchen, sehen wir auch eine Möglichkeit, sich von den Kreisen abzugrenzen, die die SiKo als moralisches Problem sehen und die nur eine stark vereinfachte, personalisierte Kritik üben wollen („Rumsfeld – Massenmörder!“).Eine ernsthafte Kritik an den Verhältnissen muss den Kapitalismus als das begreifen, was er ist: Eine ökonomische Struktur, der nahezu alles gesellschaftliche Handeln unterworfen ist, sowohl das der SiKo-TeilnehmerInnen, als auch das der DemonstrantInnen.
Sicherlich ist es so, dass die Einen stärker von den bestehenden Strukturen profitieren als die Anderen, aber letztendlich spielt die allergrößte Mehrheit das Spiel mit.
Um dies zu kritisieren helfen uns simple schwarz-weiße Denkmuster nicht weiter. Im Gegenteil, arbeiten sie doch oft mit antiamerikanischen und antisemitischen Kategorien oder wollen Hoffnung in befreiungsnationalistischen Bewegungen entdecken. Eine solche Analyse verweigert sich der kapitalistischen Totalität und kann somit keine Perspektive für die Überwindung des Kapitalismus darstellen.
Dies soll nicht heißen, dass breite Bündnisse falsch sind. Sie können schließlich auch als große Bühne für eigene Inhalte und Überzeugungsarbeit dienen. Wo dies aber nicht der Fall ist und wo eine radikale Kritik dem Bedürfnis nach der reinen Masse untergeordnet oder gar geopfert wird, da ist aller Aufwand sinnlos. Hier würde nur die Gefahr bestehen, sich zum Werkzeug reaktionärer Tendenzen machen zulassen wie moralischer Pseudo-Kritik, Antiamerikanismus, Antisemitismus oder der Befürwortung des Konstrukts Nation.
Resistance ain’t useless!
Der Kapitalismus wird sich nicht von einem auf den anderen Tag abschaffen lassen. Auch eine Be- oder gar Verhinderung der SiKo würde an der herrschenden Ordnung zunächst einmal nichts ändern. Ein erfolgreicher Protest kann aber in der Öffentlichkeit das Bewusstsein schaffen, dass es durchaus auch Alternativen zur kapitalistischen Totalität gibt.
Die Proteste gegen die SiKo haben über Jahre hinweg dazu beigetragen, viele vor allem junge Menschen zu politisieren und an linke Strukturen heranzuführen bzw. diese einzubinden. Gleichzeitig gaben die Proteste Anlass für versprengte Teile der bayerischen und auch der Münchner Linken sich zu vernetzen. Dies halten wir für sinnvoll, notwendig und gut.
Gerade in Zeiten, in denen wir radikal linke Positionen leider nicht nur in München sondern bundesweit eher in der Defensive sehen, bieten solche Events wie die Proteste gegen SiKo Möglichkeiten, sich zu organisieren und Perspektiven zu entwickeln und aufzuzeigen.
Die SiKo steht als Symbol für die gesamtgesellschaftlichen Strukturen von Kapitalismus und Militarismus. In einem Protest, der sich gegen dieses System als ganzes richtet, sehen wir einen Schritt in die richtige Richtung.
Um diesen Protest mit unseren Inhalten und Aktionsformen auf die Straße zu tragen, rufen wir auf:
Unterstützt den internationalistischen Block!