Niemals vergessen!

Redebeiträge zum antifaschistischen Stadtrundgang am 9. November 2007

Redebeitrag zu Kurt Eisner

Kurt Eisner wurde am 14. Mai 1867 in Berlin als Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten geboren. Vor dem 1. Weltkrieg betätigte er sich hauptsächlich als Theaterkritiker; im Jahre 1907 verschlug es ihn nach München. Historische Bedeutung erlangte er vor allem als Anführer der Novemberrevolution von 1918 in Bayern, wo sie wenige Wochen nach seiner Ermordung in die Münchner Räterepublik mündete. Er war nach dem ersten Weltkrieg der erste Ministerpräsident des von ihm ausgerufenen „Freistaates“, der bayerischen Republik.
Nachdem er vor dem ersten Weltkrieg dem liberalen, beinahe bürgerlichen Flügel der SPD zuzurechnen war, wandte er sich infolge des Krieges und der Genehmigung von Kriegsanleihen durch die Reichstagsfraktion der SPD, der USPD, der Vorläuferin der KPD, zu. Nachdem er aufgrund seiner Betätigung als Streikorganisator ab Januar 1918 neun Monate lang ohne Prozess im Gefängnis verbrachte, gestaltete er nach seiner Entlassung im Oktober desselben Jahres bereits im November die bayerische Revolution entscheidend mit. Am 7.November 1918 begann die Revolution in München mit einer Massenversammlung auf der Theresienwiese. Eisner spaltete sich mit seinen Getreuen von dieser ab und brachte die in München stationierten Soldaten und somit die bewaffnete Macht auf seine Seite. Es entstanden noch am selben Tag Arbeiter- und Soldatenräte und Kurt Eisner war es, der am darauf folgenden Tag die Republik ausrief. Bis zu seinem Tod wirkte er als erster Ministerpräsident eines demokratischen und revolutionären Freistaates Bayern.
Er wurde am 21. November 1919 von einem Mitglied der so genannten „Thule-Gesellschaft“, die sich später mit gutem Grund rühmte, die eigentliche Urzelle der Nazibewegung gewesen zu sein, umgebracht. Hier an dieser Stelle wo heute eine Mahntafel in den Boden eingelassen ist, erschoss ihn Graf Arco-Valley mit zwei Kugeln. Kurt Eisner war auf den Weg in den Landtag und hatte seine Rücktrittsrede im Aktenkoffer bei sich.

Redebeitrag über die Tätigkeiten der Münchner Firma Loden Frey während des 3. Reichs

Nachdem Loden-Frey bereits 1933 mit Parolen wie „Achtung! Die Kleiderkammer für den braunen Soldaten, für Hitler-Jungens und Hitler-Mädels ist Loden-Frey.“ für ihre „SA -und SS-Uniformen aus unserer Maßabteilung“ warb, ergab sich für ihre Geschäftsleitung bereits 1937 die Chance die Räumlichkeiten der renommierten jüdischen Textilfirma Cohen im Zuge der Arisierung für sich zu gewinnen.
Nach Jahren der Anfeindung, Übergriffen und einem bereits 1934 von SA-Schlägertruppen initiierten Brandanschlag, blieb dem jüdischen Besitzer Heinrich Cohen nichts anderes übrig, als seine erfolgreiche Firma auf Druck der Staatsanwaltschaft am 1.Juli ’37 aufzulösen und die Räumlichkeiten im Zuge der Arisierung zu einem Spottpreis an den damaligen „Chefverkäufer bei Loden-Frey“ Herbert G. Stiehler, der sich um finanzielle Probleme keine Sorgen machen brauchte, da er die Familie Frey als Stille Teilhaberin mit großem Anteil am Grundkapital im Hintergrund wusste, zu übergeben.
Nachdem der Wille der Staatsanwaltschaft in die Tat umgesetzt worden war und die beiden Cohen-Grundstücke in der Löwengrube 23 und der Windenmacherstraße 4 „in andere Hände übergeleitet und dadurch arisiert“ worden waren, vergrößerte die Firma ihr angrenzendes Verkaufshaus, das schon vor dem Erwerb der beiden Cohen-Grundstücke sechs Grundstücke mit 25 Schaufenstern und modernster Ausstattung umfasste und zu den Marktführern der Textilbranche gehörte, und schlug so zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens war einer ihrer Konkurrenten in der näheren Umgebung eliminiert und zweitens konnten sie sich so die exponierte Lage des Verkaufshauses in der Innenstadt sichern.
Heinrich Cohen starb 1940 im Alter von 71 Jahren, während sein Sohn Fritz wenige Tage nach der Einweisung in die Heil -und Pflegeanstalt Haar-Eglfing im Rahmen des „Euthanasie-Programm“ nach Dachau deportiert und dort ermordet wurde.
Während des Krieges produzierte Loden Frey neben Soldatenaccessoires wie beispielsweise Gasmasken, SS-Stiefeln, SS-Mützen in allererster Linie maßgeschneiderte Uniformen für die Wehrmacht, die Waffen-SS und den Reichsarbeitsdienst in „erstklassiger Passform und Verarbeitung“; um die angeforderten Mengen produzieren zu können, wurde ab Juni 1944 ein circa 30 Häftlinge starkes Außenkommando des Konzentrationslagers Dachau in der Firma beschäftigt, zudem wurden noch französische Kriegsgefangene zur gefährlichen Beseitigung von Bombenschäden auf dem Fabrikgelände in der Osterwaldstraße angefordert.
In mehreren Entnazifizierungsverfahren nach dem Krieg zeigte Georg Frey keine Reue, in Hinblick auf sein Engagement in NS-Organisationen erklärte er folgendes:
„Mit meiner religiösen Überzeugung schien dieser Einfluss nicht im Widerspruch zu stehen, da gerade damals der Abschluss des Konkordats erfolgte und auch kirchliche Kreise keine Bedenken äußerten.“
Äußerungen wie z.B. die Feststellung, „dass es allen Deutschen, die guten Willens sind, wirklich nicht schwer fällt, nationalsozialistisches Gedankengut in sich aufzunehmen“, die der Unternehmer am „Tag der nationalen Arbeit“ 1934 vor seiner Belegschaft kundtat, die Beschäftigung von Konzentrationslager-Häftlingen, das Bereichern an Besitztum von Opfern der Arisierung und seine Rolle in verschiedenen NS-Organisationen zeigen, dass es sich bei Georg Frey, seiner Familie und Belegschaft nicht um die armen unwissenden Deutschen, die sie immer vorzugeben versuchten, sondern um die Mitläufer und Mitwisser der NS- Verbrechen handelte.
Noch bis zum Jahr 1996 teilte die Firmenleitung von Loden-Frey auf Anfrage mit, dass sich im Firmenarchiv kein Material zum Thema „Arisierung“ befinde.
Erst Ende Februar 2000 beteiligte sich der Familienbetrieb an der Zwangsarbeiter-Entschädigung und gab ein Gutachten über „Loden-Frey in der NS-Zeit“ in Auftrag.

Redebeitrag zur Ettstraße

Am 3. Mai 1919 setzte die nach der gewaltsamen Niederschlagung der Räterepublik nach München zurückgekehrte SPD-Regierung den völkisch orientierten Oberlandesgerichtsrat Ernst Pöhner als neuen Polizeipräsidenten ein. Als dieser 1921 von seinem Posten zurücktrat, war München unter seiner Verantwortung zur rechtsradikalen „Ordnungszelle“ und die Polizeidirektion zur „Mörderzentrale“ geworden. Hitler lobte Pöhner in „Mein Kampf“ als den einzigen, der bereit gewesen sei, „die Wiedererstehung des von ihm über alles geliebten deutschen Volkes alles, auch wenn nötig, seine persönliche Existenz auf das Spiel zu setzen und zu opfern.“ Pöhner war an den Morden der rechtsradikalen „Organisation Consul“ (OC) beteiligt und nahm 1923 am Hitlerputsch teil. Während eines Prozesses um die Morde der OC, zu dem er vorgeladen war, verunglückte er 1925 bei einem mysteriösen Autounfall tödlich.
Bereits während der Weimarer Republik waren in der Ettstraße Beamte tätig, die sich als besonders hartnäckige Verfolger politischer Gegner hervortaten und nach 1933 im NS-System entsprechende Karriere machten: Wilhelm Frick, bis zu seiner Teilnahme am Hitlerputsch 1923 Leiter der politischen Abteilung und der Kriminalpolizei, wurde 1930 Innen- und Volksbildungsminister in Thüringen. Seit 1933 Reichsinnenminister, trat Frick 1943 die Nachfolge des ermordetem Reinhard Heydrich als „Reichsprotektor von Böhmen und Mähren“ an. Frick wurde 1946 in Nürnberg hingerichtet. Der für die Verfolgung der Homosexuellen zuständige Josef Meisinger leitete seit 1936 die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ in Berlin, kommandierte 1939 die „Einsatztruppe IV“ in Polen und seit 1940 die Sicherheitspolizei in Warschau, wo er 1947 hingerichtet wurde. Sein Kollege Heinrich Müller, seit 1919 für die Verfolgung der Kommunisten eingesetzt, wurde 1939 Chef der Gestapo in Berlin, sowie des Amtes IV im „Reichssicherheitshauptamt“, das die Deportation und Vernichtung der Juden organisierte.
Am 9. März 1933 erhielt Heinrich Himmler das Amt des „kommissarischen Polizeipräsidenten“ Münchens und Reinhard Heydrich die Leitung der „Politischen Abteilung“, der später im Wittelsbacher Palais residierenden „Bayerischen Politischen Polizei“, die allein im März 1933 rund 5000 Menschen festnahm. Die überfüllten Gefängnisse und die Schreie der Gefolterten waren Anlass für Himmlers Ankündigung am 20. März 1933, außerhalb der Stadt ein Konzentrationslager zu errichten. Die Häftlinge in Dachau wurden anfangs von Polizisten bewacht, die noch vor der SS die ersten Morde begingen.

Redebeitrag zur ehemaligen Hauptsynagoge

Am 16. September 1887 wurde hier, in der Herzog-Max-Straße 5, eine nach den Plänen von Albert Schmidt erbaute, neue Hauptsynagoge erbaut. Sie war zu diesem Zeitpunkt die drittgrößte Synagoge Deutschlands. Insbesondere das Bewusstsein, sich nicht mehr versteckt hinter unscheinbaren Fassaden oder in den Vorstädten versammeln zu müssen, sondern nunmehr über ein ansehnliches Gotteshaus zu verfügen, das anderen Sakralbauten in München in nichts nachstand, erfüllte die jüdische Gemeinschaft mit Stolz. An dieses markante städtebauliche Zeichen waren zudem große Hoffnungen der Münchner Jüdinnen und Juden nach gesellschaftlicher Anerkennung und religiöser Akzeptanz geknüpft.
Doch bereits in den 1920er Jahren wurde das Leben für Jüdinnen und Juden in München schwieriger. Die Spannungen nahmen zu, es kam zu rücksichtslosen Ausweisungen osteuropäischer Jüdinnen und Juden. Die Trupps der SA organisierten erste Übergriffe gegen jüdische Geschäfte und Personen. Ab dem Januar 1933 begann dann die Politik der staatlich verordneten Diskriminierung und der Pogrome. In ihrer Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Hauptsynagoge am 5. September 1937 sah sich die Israelitische Kultusgemeinde zu den Worten veranlasst: „Die 50. Wiederkehr dieses Tages festlich zu begehen, ist heute nicht die Zeit.“ Bereits vor der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde die Münchner Hauptsynagoge auf persönliche Weisung Adolf Hitlers abgerissen, was den ersten Vorgang dieser Art im dritten Reich darstellte und die Vorreiterstellung Münchens als so genannte „Hauptstadt der Bewegung“ widerspiegelte. Am Morgen des 9.Juni 1938 begann die Zerstörung der Münchner Hauptsynagoge, um – nach Auffassung der Nationalsozialisten – München von einem „Schandfleck“ zu „befreien“. Die Kosten für den Abriss des Gebäudes wurden der Jüdischen Gemeinde zur Zahlung auferlegt. Der damals weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannte Kantor Emanuel Kirschner übernahm den Schlussgesang des eilig vorbereiteten Abschlussgottesdienstes. 81-jährig, mit „gebrochenem Herzen“, sang Kirschner das „Gebet eines Leidenden, wenn er verzagt“. Dieses Ereignis ließ bereits erahnen, was in den folgenden Monaten und Jahren in Gestalt an Pogromen, Massendeportationen und industrialisiertem Massenmord auf die deutschen und europäischen Juden zukommen sollte. Das Synagogengrundstück wurde nach dem Abriss in einen Parkplatz umgewandelt und im Jahre 1940 dem Rasse- und Siedlungshauptamt der SS zugesprochen, das darauf eine Geschäftsstelle des Lebensborn e.V. einrichtete. Die Synagoge wurde daraufhin – in erheblich verkleinerter Form – in die Räume einer ehemaligen Tabak- und Zigarettenfabrik in die Lindwurmstraße 125 verlegt, wo sie bis 1942 zwangsmäßig einquartiert war. Die beiden anderen Synagogen in der Herzog-Rudolf-Straße und in der Reichenbachstraße fielen den SA-Schergen im Laufe der Reichspogromnacht in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zum Opfer. Von den 12000 Jüdinnen und Juden in München waren bis zum Beginn der Shoa rund 7500 geflüchtet. Im November 1940 fand die erste Judendeportation aus dem Stadtgebiet statt. Es folgten 42 weitere Transporte mit insgesamt rund 3000 Personen, die für die Betroffenen meist in den Tod führten. Ab 1942 war jüdisches Leben in München nicht mehr vorhanden bzw. ausgelöscht. Die amerikanischen Befreier fanden am 30. April 1945 lediglich 84 überlebende Jüdinnen und Juden vor.
Nach 1945 wurde das Grundstück, auf dem einst die Synagoge stand, der Israelitischen Kultusgemeinde zurückerstattet. Diese verkaufte das Grundstück der Stadt, die es in den 90er Jahren mit dem Einverständnis der Gemeinde an die KarstadtQuelle AG veräußerte. Der gesamte Kauferlass wurde der Kultusgemeinde für das Bauprojekt des neuen jüdischen Gemeindezentrums am St.-Jakobs-Platz zur Verfügung gestellt, das am heutigen Tag feierlich eröffnet wurde. Seit 1969 erinnert zudem ein Gedenkstein an die ehemalige Hauptsynagoge.
Der Opfer der Reichspogromnacht, die auf den Tag genau vor 68 Jahren hier in München ihren Anfang nahm, sowie den Millionen Menschen, die dem Nationalsozialismus bis heute zum Opfer gefallen sind, wollen wir nun mit einer Schweigeminute gedenken.
(SCHWEIGEMINUTE)